Sie sind hier: Startseite » NEIN zur ePA !

NEIN zur ePA !

Sehr geehrte Patientinnen und Patienten,

liebe Eltern,

als Ärztinnen und Ärzte der Familienpraxis Karlstein begrüßen wir ausdrücklich IT-Innovationen und zuverlässige technische Weiterentwicklungen, die dem Patienten nutzen, dem Gemeinwohl dienen oder unsere tägliche ärztliche Arbeit von Bürokratie entlasten.

Die vom Bundesgesundheitsministerium aktuell vorgelegte "Digitalisierungsstrategie" mit der darin vorgesehenen "elektronischen Patientenakte" (ePA) halten wir aber aus vielen Gründen für sehr problematisch:

Eine zentrale und digitale Speicherung persönlichster und intimster Gesundheitsdaten in einer ePA wäre nicht nur ein Kulturbruch im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, sondern auch erheblich risikobehaftet. Erstmals läge die Datenhoheit für sensible Gesundheitsdaten nicht mehr beim Patienten und einem ihm persönlich bekannten Ärztin/Arzt oder bei einer dem Patienten vertrauten Institution alleine, sondern auch bei einem anonymen Datenspeicher. Dessen Schutz und dessen Nutzung wäre in Zukunft auch abhängig von sich wandelnden politischen Interessen und veränderbaren gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie von komplexen und fehleranfälligen IT-Technologien.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind aus unserer Sicht weder die rechtlichen Rahmenbedingungen noch die erforderlichen IT-Technologien ausreichend entwickelt und so zuverlässig sichergestellt, dass ein groß angelegtes Datenspeicherexperiment mit hochsensiblen Daten riskiert werden sollte.

Viele Beispiele von Datenpannen, Leaks und erfolgreicher Cyberkriminalität in In- und Ausland (ganz aktuell betroffen ist einer der größten IT-Dienstleister für die gesetzlichen Krankenkassen - hier nachzulesen) mit teilweise katastrophalen Folgen für die Betroffenen erscheinen nicht ausreichend berücksichtigt. Eine - unvollständige - Übersicht über weitere, bereits eingetretene Datenpannen im Bereich des deutschen Gesundheitswesens gibt es z.B.hier.

Bei einer zentralen Datenspeicherung im großen Stil ist es nach den bisherigen Erfahrungen auch nicht die Frage ob, sondern nur wann, wo und wie es zu Missbrauch von sensiblen Patientendaten kommen würde.

Experten warnen klar und unmissverständlich davor, dass bei der geplanten zentralen Speicherung eine sichere Anonymisierung/Pseudonymisierung der komplexen Patientendaten möglicherweise angreifbar wäre und mit Hilfe von „künstlicher Intelligenz“ „rückgerechnet“ werden könnte. Es wäre dann kaum noch kontrollierbar, wo und wie in Zukunft diese Datenströme geschickt zusammengeführt würden. Ein hohes Interesse am Zugang zu solchen Daten haben jedenfalls Kostenträger wie z.B. Krankenkassen, Versicherungen und digital agierende Konzerne. Diese haben, im Gegensatz zum einzelnen Patienten, auch die Expertise und die Mittel solche Daten gewinnbringend für ihre Eigeninteressen aufzubereiten und auszuwerten. Im schlimmsten Fall würde sich ein Wunsch der Digitalkonzerne erfüllen und der „gläserne Patient / Konsument / Mensch“ würde vom Alptraum zur Realität.

Bei der Auswertung großer Datenmengen sind zwar auch einige sinnvolle Nutzungsoptionen denkbar, diese müssen aber gegen die Risiken abgewogen werden. Die Idee, „Big Data“ sei generell für das Gemeinwohl oder für eine gute Forschung unentbehrlich, ist aber wissenschaftliche nicht hinreichend belegt und erscheint daher eher politisch und wirtschaftlich motiviert. Viele in der BMG-"Digitalisierungsstrategie" aufgelisteten Vorteile für den einzelnen Patienten, wie "E-Rezept", "Telemedizin", "DMP-Programme", "Arzneimittelsicherheit", „schnelle Arztkommunikation“ usw. ließen sich auch ohne ePA / Zentralisierung viel datensparsamer und EU-rechtskonform umsetzen. Solche Projekte bestehen bereits und könnten bedarfsgerecht und ohne zeitlichen Aktionismus sinnvoll und stabil weiterentwickelt werden.

Bei der vorgelegten "Digitalisierungsstrategie" erscheint es hingegen eher so, als soll der "teure" Faktor "Mensch" möglichst rasch durch digitale, normierte, besser kontrollierbare Prozesse ersetzt werden.

Eine voreilig umgesetzte "Digitalisierungsstrategie" kann daher aus unserer Sicht kein Garant für ein menschlicheres oder besseres Gesundheitssystem sein – sie ist eher ein weiterer Schritt hin zu Kommerzialisierung und Ökonomisierung.

Bitte denken Sie in diesen wichtigen Fragen der Gestaltung einer gesunden und sicheren Digitalumgebung auch an die uns nachfolgenden Generationen. Ähnlich wie in der Umweltpolitik werden die strukturellen Fehlentwicklungen, die wir heute im Umgang mit Daten und Datenverarbeitung zulassen, sich in großem Umfang erst viel später offenbaren und auswirken. Und: Ähnlich wie im Umgang mit unserer Umwelt können diese Fehler auch irreversibler Natur sein.

Daher: Bitte wägen Sie für sich und Ihre Familien sehr gut ab, ob kleine Vorteile es wert sind, Ihre persönlichsten Daten einer zentralen Speicherlösung anzuvertrauen.

Ein lebendiger Austausch zu diesen aktuellen, uns alle in naher Zukunft betreffenden, tief in unser soziales Miteinander wirkenden Entwicklungen erscheint uns sehr wichtig. Gerne können Sie sich hierzu mit Ihren Fragen und Ihren eigenen Meinungen per E-Mail an uns wenden. Wir möchten Sie über die geplanten Digitalisierungsvorhaben im Gesundheitswesen bestmöglich informieren, damit Sie sich eine fundierte eigene Meinung bilden können. Dies hilft uns auch, Sie weiterhin bedarfsgerecht und so sicher wie möglich durch den „deutschen Gesundheitsdschungel“ zu begleiten.

Ihre Familienpraxis

Dr. med. Vera Zimmer - Dr. med. Susann Überreiter - Dr. med. Alexander Miller - Th. Bergmann